Zunächst sei darauf verwiesen, dass der Mensch auch nach neuesten Wirtschaftsforschungen *) nicht jenes rein egoistische Wesen ist, das die bisherige liberale Wirtschaftstheorie voraussetzte. Nur eine Minderheit handelte rein aufgrund von Eigeninteressen. Für die meisten spielen andere Werte wie freiwillige gegenseitige Zusammenarbeit eine mindestens ebenso große und oft entscheidende Rolle. Dieser "gegenseitige Altruismus" führt allerdings ebenso wenig wie der Egoismus automatisch zum Besten der Gesamtgesellschaft, sondern kann auch im Sinne einer Cliquenbildung wirken. Da helfen nur bewusste, konsequente ethische Entscheidungen weiter.
Hier können psychologische und religiös-ethische Gesichtspunkte ansetzen. Der Mensch ist gleichermaßen als individuelles und als soziales Wesen angelegt. Sowohl ein gesundes -nicht übersteigertes- Selbstbewusstsein wie auch eine solidarische Haltung gegenüber den Mitmenschen sind bei entsprechender Offenheit trainierbar. Wo nur die egoistische Seite vorhanden scheint, ist die altruistische Seite entweder nicht stark entfaltet oder u.a. durch die harte "Schulung" durch die westliche Gesellschaft verkümmert. Die sozialistischen Gesellschaften betonten einseitig die Solidarität und ließen umgekehrt vielfach die freiheitsbedürftige individualistische Seite der Menschen verkümmern - und entsprachen insofern auch nicht dem, wozu der Mensch angelegt ist. Wo die Menschen keine ausgeglichenen Verhältnisse vorfinden, zeigen sie dies früher oder später durch Kritik usw. Entweder es wird dann rechtzeitig dazugelernt, oder es geht früher oder später bergab. Dies gilt auch für die heute vorherrschende Wirtschaftsform, die durch global handelnde Grossunternehmen gekennzeichnet ist. Jesus legt nahe, zuerst die jeweiligen hausgemachten Probleme zu klären (Matth. 7).
Zwar sind die Werte der Bergpredigt (Matth.
5-7) ** usw. nicht unmittelbar in gesellschaftliche Handlungsanleitungen zu
übersetzen. Aber dennoch wäre die Bewusstseinsspaltung nicht im Sinne Jesu,
z.B. im privaten Leben nach dem Gebot der Nächstenliebe zu handeln, und in
beruflichen oder gesellschaftlichen Funktionen genau gegenteilige Prinzipien
anzuwenden. Eine ernsthafte Ethik *** muss sich auf allen Ebenen bewähren, und
letztendlich auch für die Welt insgesamt gelten. Z.B. der Wert der
Barmherzigkeit und dass sich Jesus auch in der Praxis gerade den Armen zuwandte,
ist unzweifelhaft auch über die bekannten kirchlichen Sozialdienste hinaus
gesellschaftlich relevant - auch für den menschlichen Umgang innerhalb
von Unternehmen. Auch Matth. 22,21 hat sehr
praktische Bedeutung, indem dort neben der Barmherzigkeit auch der überlieferte
"Zehnte" von Jesus bestätigt wird, d.h. eine neben der römischen
Steuer bestehende 10%- Spende für religiöse bzw. wohltätige Zwecke. Die
Hilfswilligkeit im Sinne von Jesus beruht jedoch auf freiwilligen
Entscheidungen; es ist nicht möglich, daraus unmittelbar
Zwangsumverteilungskonzepte abzuleiten. Es gelten auch nach wie vor die Gebote 9
und 10 "Du sollst nicht begehren ... was dein Nächster hat." Auch bei
allem Bemühen, die soziale Lage Vieler zu bessern, bleiben die
unterschiedlichen Schicksale in Gottes Hand.
Das Gleichnis in Matth. 25,14-30 / Lukas 19 nimmt bekannte materielle
Sachverhalte auf. Der Zusammenhang (bei Lukas z.B. die ethische Haltung eines
Zöllners, bei Matthäus z.B. das vorangehende Gleichnis über die
Glaubenskräfte der Jungfrauen) zeigt jedoch, dass damit Umfassenderes
veranschaulicht werden soll, als die Vermehrung materieller Güter bzw.
Finanzen. Dies kommt deutlicher z.B. in Luk. 12,33 zum Ausdruck, wo
seelische Werte über die irdischen gestellt werden. Trotzdem bezieht sich der
verantwortliche Umgang mit anvertrauten Gütern durchaus auch auf Materielles.
Auch wo z.B. geraten wird, die Armen und Benachteiligten zu unterstützen, wird
dieser materiellen oder finanziellen Unterstützung ein Wert beigemessen, statt
dass das Materielle generell als wertlos erachtet würde. Es kommt dann z.B.
darauf an, ob das Geld Selbstzweck ist oder ob es für etwas Sinnvolles
eingesetzt wird - Matth. 6,24: die Unmöglichkeit, Gott und dem Mammon
gleichzeitig zu dienen.
Z.B. zu lügen und zu betrügen, Mobbing zu betreiben, und Projekte in die Welt
zu setzen, deren Harmlosigkeit für (nichtkriminelle) Mitmenschen und andere
Geschöpfe nicht ausreichend erwiesen ist, ist nicht im Sinne eines
verantwortlichen Miteinanders, wie es Jesus auf Schritt und Tritt demonstrierte.
Jesus lehrt auch nicht, immer sog. "Sachzwänge" in den Vordergrund zu
stellen.
Aus dem Islam ist
das Verbot des Zinses bekannt. Aber Juden und Christen könnten in der Bibel
ähnliche Ratschläge finden (im Alten Testament selbst sind es Verbote):
Hesekiel 18:8 und 9: "Der nicht wuchert, der nicht (andere
Übersetzung: nicht
überhöhten) Zins nimmt, der seine Hand vom Unrechten kehrt, der
zwischen den Leuten recht urteilt; der nach meinen Rechten wandelt und meine
Gebote hält, dass er ernstlich darnach tue: das ist ein frommer Mann, der soll
das Leben haben, spricht der HERR HERR."
S.a. Esra 7:24 (Zins-, Zoll- und Steuerverbote gegenüber bestimmten
Berufen);
Sprüche 28:8 wurde manchmal auf die bequeme Art so ausgelegt, der Umgang
mit dem durch Zinsen erworbenen Geld sei letztlich gleichgültig, weil das Geld
über die Reichen ohnehin wieder den Armen zugute komme. Wo heute Geld vielfach
gerade entgegen der Interessen der Armen bzw. des Gemeinwohls eingesetzt wird,
sind jedoch die Voraussetzungen des Verses nicht erfüllt. Um die Werteordnung
in diesem Vers zu erfüllen, kommt es daher gerade darauf an, wofür das Geld
verwendet wird.
Im Neuen Testament siehe betr. Zins auch Mt. 23:23 und Mt. 17:24.
Für diese Ausarbeitung interessiert am meisten, was auch dann noch als
nachdenkenswert erscheint, wenn der Bezugsrahmen, in dem das Alte Testament
entstanden ist, verlassen wird. Daher wird hier auf Deuteronomium 23:20
nicht näher eingegangen.
Die Bibel hält dazu an, keine unnötigen Schulden zu machen (Sprüche 22:7), und vorausschauend zu planen (Sprüche 21:5), sowie in der Weisheit und im Verstand laufend dazuzulernen (z.B. Sprüche 4:5-8). Die Israeliten wurden zum Sparen angehalten; schon der erwähnte "Zehnte" sollte jedes Jahr zurückgelegt werden, um damit zu den religiösen Festen reisen zu können und Gaben dafür bereit zu haben (5. Mose 14:22-27). Paulus forderte Christen auf, jede Woche etwas zurückzulegen, um es bei Bedarf für in Not geratene Mitchristen zur Verfügung zu haben (1. Korinther 16:1,2), und legt eine maßvolle Haltung im Umgang mit irdischen Gütern nahe (1. Timotheus 6:8). Jesus geht davon aus, dass berechnet werden muss, ob genug Geld da ist, bevor z.B. ein Bauprojekt gestartet wird (Luk. 14:28). Ein nachhaltiges Wirtschaften wäre auch heute dringend gefragt als Therapie und Vorsorge: private, wirtschaftliche und öffentliche Überschuldung ist eine Ursache weltweiter finanzieller Instabilitäten. Die Webseite Christuswege verfolgt keine politischen Ziele; daher werden hier nur allgemeine Gesichtspunkte gegeben.***)
*) So Ernst Fehr, Direktor des
Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung an der Universität Zürich, lt.
Interview in "Spektrum der Wissenschaft" März 2002, "Reziproker
Altruismus...".
**) In mehr geistiger Hinsicht werden diese Werte in dem Kapitel über die
Bergpredigt im Haupttext von Christuswege.net erläutert.
***) Siehe auch unsere Extraseiten "Grundlagen der
Ethik" und "Christliche
Gesichtspunkte zu Gesellschaft und Politik".
Zur Startseite Christuswege.net: Weitere Themen und Haupttext Wege von Jesus Christus, seine Beiträge zum menschlichen Bewusstsein und zu den Veränderungen der Menschheit und Erde: eine unabhängige Info-Seite, mit neuen Gesichtspunkten aus vielen Forschungsgebieten und Erfahrungsbereichen; mit praktischen Hinweisen für die persönliche Entwicklung. |