Christuswege

Logo: gezeichnetes christliches Kreuz und Erdsymbol

Haupttext Teil 1, Die Schritte in den Evangelien;
Kapitel :

Christus und die „Fußwaschung", und die Salbung durch Maria von Bethanien.

Zeichnung: Jesus beim Waschen der Füße der Jünger

Der Rest der Evangelienberichte weist immer mehr symbolische Geschehnisse auf, wo eingehendere begleitende Lehren fehlen. Spätestens hier können wir die zurechtgebogenen kommerziellen „Alles-über-Jesus-Enthüllungsstories", an deren Ende wir immer noch nichts wissen, getrost beiseite legen. Zwar können auch hier manche äußere Kenntnisse hilfreich sein, aber Entscheidendes kann hier überhaupt nur noch meditative Betrachtung erschließen. Dies kann allerdings für Andere nur Anregung für eigene Erkenntnisbemühungen sein, und kein Pfarrer oder Historiker kann uns diese abnehmen.

Die Fußwaschung wird im Bibeltext - Joh. 13, 1-20 - als Reinigung umschrieben . Da solche „esoterischen" Stellen später sowieso kaum noch verstanden wurden, wurden sie wenigstens unzensiert stehen gelassen. Der Betreffende ist „ganz rein", es geht also nicht um die Füße, sondern um deren symbolische Bedeutung im gesamten Menschen. In den verschiedensten Kulturen war jenes Denken in Entsprechungen verbreitet: Die gleichen Funktionen lassen sich finden im menschlichen Organismus, also dem Mikro- oder Mesokosmos, und in der äußeren Natur, also dem Makrokosmos. Die Füße sind dem Irdischen zugewandt, ihre Bewegung folgt dem Willen. Ob der Mensch äußerlich den einen oder anderen Weg „geht", erfordert eine Willensentscheidung. Eine Reinigung dieses Willens und dessen widersprüchlicher Kapriolen - hier durch Christus - zeigt sich als Inhalt der Fußwaschung. Vgl. auch, dass Jesus in Matth. 25, 31ff. der Guten Tat einen höheren Wert beimisst als christlichen Lippenbekenntnissen. 

Allerdings stellt diese Handlung, wie alle nachfolgenden Geschehnisse, keine bloße Wiederholung der bereits in den Jahren zuvor gegebenen Impulse zur Reinigung der verschiedenen Wesensbereiche des Menschen dar. Alles steht unter dem neuen Vorzeichen, dass Jesus innerlich weiß, dass „seine Zeit gekommen war", und dass seine Jünger reif werden sollten, das „gewisse Etwas" eigenständig in größere Kreise weiterzutragen. Nicht mehr nur ihre persönlichen Qualitäten, hier ihr guter Wille, unter der Übersicht ihres inneren Ichs ist das Ziel wie bis zu diesem Punkt,. Sondern dieses höhere, nicht-egoistische Ich - nun vereinigt mit der „Person", kann nun selbst immer stärker eins werden mit jenem „Christus, der in uns Gestalt angenommen hat"; wie ein „Ich der Iche". Es geht nun immer weniger um ein rein persönliches Schicksal.

Diese Erfahrung könnte zunächst so umschrieben werden, dass beim inneren Nachvollzug dieser Handlung sich eine derartige Reinheit ergeben kann, dass nun alles direkter aus der innersten Quelle selbst gesteuert werden kann durch die verschiedensten Wesensschichten hindurch. Jedoch ist es zunächst der Wille. Das Fühlen und Erkennen wird sich erst im weiteren Verlauf so vervollkommnen, dass der Mensch das Warum seiner Impulse direkt erklären kann. Auch Gott folgt in uns der Reihenfolge, wie sie auf tieferer Ebene das Aufwachsen eines Kindes zeigt. Das heißt nicht, dass dieser neue Abschnitt der Entwicklung z.B. "kopflos" abliefe. Die menschliche Entwicklung des ethischen Fühlens und der klaren Erkenntnis ist schon vorher stark angestoßen worden. Lediglich eine weitere Vervollkommnung derselben im Sinne Christi, wie sie nun der Willensbereich bereits erhält, steht hier noch aus.

Eine andere Erlebensart dieser schwer beschreibbaren Phasen könnte diese in Beziehung sehen zum Gewahrwerden der eigenen Bewusstheit, bzw. des Blicks, mit dem (Schutz-)„Engel" bzw. das Höhere Selbst das Leben betrachten könnten. Das (engelsartige) Höhere Selbst kann sich jetzt stärker mit Christus vereint zeigen, und macht so auch eine Verwandlung durch. Engelserfahrungen sind heute in Teilen der neuen spirituellen Bewegungen gang und gäbe; während Christen trotz Bibel noch vielfach zweifeln, ob es so etwas überhaupt gibt, ganz zu schweigen von der Frage, was es mit dem „eigenen" bzw. „Schutzengel" des Volksmunds real auf sich haben könnte, und wie eine solche Verbindung aussehen könnte. Christus steht jedoch für das geformte, personale Wesen des Menschen, und für die Beibehaltung der Errungenschaften des Menschenlebens beim Sich- Öffnen für die unpersönlichen Kräftewelten der „Engel" . Auch ist für Christus ein Mensch, der eine solche Erfahrung hat, noch lange nicht vollkommen. Erste Einblicke darin ließ er die Jünger schon in Joh.1 gewinnen. Manche spirituell Orientierte meinen, es gehe überhaupt nur um das Engelerlebnis, und danach könnten sie sich vom Irdischen zurückziehen; indessen setzt ein Forschen in diesen Bereichen viel an bereits erarbeiteter Stabilität voraus, wenn es nicht im Irrgarten der Illusionen enden soll; weiter beginnt sicherlich mit dieser Phase die Möglichkeit einer umfassenden Durchdringung des Irdischen durch den Geist erst richtig. Als Anhaltspunkt sei hier erwähnt, dass z.B. R. Steiner als Geistesforscher der Evolution des Menschen auf der Erde noch lange Zeitalter zuschreibt, wie insoweit auch manch andere Richtung. Dass noch andere Praktiken, wie hypnotisch-spiritistische „Geisterbeschwörungen" gar nichts mit der hier gemeinten archetypischen Grunderfahrung der Engel zu tun haben, braucht hier wohl nicht weiter hervorgehoben zu werden. Es gibt jedoch inzwischen viele ernstzunehmende Bemühungen von Menschen, in ihrem täglichen Leben mit Engeln in Kontakt zu sein. 

Bei der Fußwaschung ist bisher kaum aufgefallen, dass jene Stelle - z.B. Joh.12 - dazu im inneren Zusammenhang steht, wo Maria von Bethanien Jesus symbolisch salbt, und seine Füße mit ihrem Haar trocknet. Steht sie einfach für sich als Mensch, oder steht sie hier auch für weibliche Aspekte Gottes, wie sie Maria, der Mutter Jesu, und Maria von Magdala – wahrscheinlich nicht identisch mit M. v. Bethanien – an anderen Stellen zugeschrieben werden könnten? Warum geht dies der bekannten Fußwaschung voraus? Für die – allerdings widersprüchlichen – Ansätze feministischer Erfahrungs-Theologie gibt es sicherlich auch noch ungehobene oder nur teilweise gehobene Schätze. Die "letzte Ölung" z.B. der katholischen Kirche kann auch als ein Nachklang dieses Geschehens aufgefasst werden.

Weiter ist bemerkenswert, dass die Fußwaschung keine einmalige Handlung durch Jesus persönlich darstellt, sondern dass auch die Jünger untereinander ermutigt werden, sich gegenseitig die Füße zu waschen; ähnlich wie das Abendmahl zunächst in die Hände der entstehenden Gemeinschaft gelegt wird – im Sinne eines Priestertums Aller. Der bei der Fußwaschung verfeinerte Wille bzw. Lebenswille wird über das eigene Wesen hinaus ausgeweitet auf den Umkreis, zunächst auf das Gegenüber, dem der/die Betreffende die Füße wäscht, dann auch auf die Mitverantwortung für Weitere und die Jünger insgesamt.

Fußwaschung kann auch als Dienst am Anderen verstanden werden. Nur mit dieser Fußwaschung haben sie „Teil an ihm", wie es Jesus nennt. Das unterstreicht die in vieler Hinsicht weitreichende Bedeutung dieses Schrittes. Besonders ist zunächst jener Bereich angesprochen, den junge Leute so benennen: er/sie „geht mit mir". Allerdings geht es bei der Fußwaschung nicht mehr darum, „eine Beziehung zu haben", sondern „in (einer lebendigen) Beziehung zu sein". Nur als „Schritt voran" ist die Fußwaschung verständlich. Auf die äußere Gestaltung einer derartigen Handlung kommt es weniger an. Im Sinne der alchemistischen Praxis, äußere Handlungen als Anschauungshilfe auch für innere Haltungen und Prozesse im Menschen zu nutzen, ist eine solche Handlung jedoch sinnvoll; aber eben nur mit der dazugehörenden inneren Haltung. Auch eine denkbare richtige Einstellung eines handelnden Pfarrers würde nicht genügen, es bedarf der Betroffenen selbst, denn um diese geht es. Das gilt auch für das Abendmahl – über die verschiedensten Aspekte desselben sind die Theologen zerstritten; sie mögen auf eine Art sogar jeweils recht haben, aber diesen Aspekt der bewussten Verwandlung der Betroffenen selbst , auf den es bei Licht betrachtet eigentlich ankommt, haben weder die katholischen noch die evangelischen Kirchen genügend gewürdigt.

Waren es bei einfacheren Lehren noch z.B. 5000 Menschen, und später 500 oder 70, die noch folgen konnten, so nahmen an der Fußwaschung zunächst nur die elf Jünger teil, die Vieles von Jesus gelernt hatten und so vorbereitet waren, dass sie die Gelegenheit ergreifen konnten. Judas konnte das hier eventuell noch nicht. Auch Jesus gibt nicht alle Lehren gleich für Alle, sondern schrittweise. Allerdings ist es möglich, dass Einzelne auch vorankommen, wenn ihre tiefere Betrachtung gleich bei diesen, auf die Kreuzigung zugehenden Geschehnissen ansetzt. Dies versuchten die christlichen Rosenkreuzer. Fußwaschung, Geißelung, Dornenkrönung, Kreuzigung und Grablegung, Auferstehung, Himmelfahrt wurden von ihnen „christliche Einweihungen" genannt. In die Umsetzungstiefe einer neueren Zeit übertragen, ergaben sich daraus auch die Traumbilder der sieben Tage der „chymischen Hochzeit des Christian Rosenkreutz", 1616 von dem lutherischen Theologen J.V. Andreae als Satire getarnt veröffentlicht.

Ein solcher Schritt ist sicherlich meist nicht beim ersten Erleben desselben im Äußeren, in der Meditation oder im Traum abgeschlossen. In viele Richtungen kann sich das Sein des Menschen mit all seinen Fähigkeiten erweitern, andere Schritte können folgen, sich mit einigen vorherigen überschneiden, aber in sich in gewisser Art abgerundet sein werden neue Qualitäten erst, nachdem das Vorhergehende, worauf sie aufbauen, abgerundet ist.

Nach der Salbung in Bethanien folgt in Joh. 12 der Einzug Jesu in Jerusalem als Messias. Nach der Fußwaschung werden z.B. in Joh. 13-17 die Ankündigung des Verrats durch Judas Ischariot, die Abschiedsreden, und das hohepriesterliche Gebet Jesu überliefert.

Theologen haben in der Fußwaschung öfter eine zeichenhafte Handlung gesehen, die auf die nahende Kreuzigung hinweist; oder ein Beispiel des Dienens mit der reinigenden Liebe Gottes. Es war aber auch als eine direkt wirkende Tat angekündigt.

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Frage:
Möchte ich Gott darum bitten* - falls nicht schon geschehen - dass der gute Wille im Verhältnis zu meinem Gegenüber in mein Fleisch und Blut übergeht - auch wenn dies anstrengend ist ?
* Später - statt bitten ( beten) - glauben, d.h. davon überzeugt sein. Noch später Gottes Wirken (Gnade) erfahren.

   

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