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Zum "Thomasevangelium".

Auch das sog. „Thomasevangelium" *) ist es wert, gelesen zu werden, egal ob sie auf Thomas **), den Jünger - und (Halb)Bruder - Jesu selbst zurück geht oder nicht. Es ist streng genommen kein Evangelium, sondern eine apokryphe ***) Sammlung von Aussprüchen Jesu in 114 Versen. Dieser Text war auch von spirituellen Christen in Ägypten und anderswo anerkannt.

Es gab eine Fassung, die von einigen frühen kirchlichen Autoren als "häretisch", d.h. als "Irrlehre" betrachtet wurde. Inwieweit jener umstrittene Text Gemeinsamkeiten mit dem heute bekannten Thomasevangelium hatte, ist nicht bekannt. dass es in der frühen Kirche unterschiedliche Vorstellungen gab, die sich bekämpften, gehört zur Natur der Sache. Schon die Jünger selbst haben sich öfter gestritten, und waren in Ihrem jeweiligen Auftrag unabhängig, d.h. die Beurteilung durch Andere, selbst durch andere Jünger, war für sie nicht bindend. dass solche Ablehnungen vorkamen, ist also heute allein für sich kein Maßstab mehr, um eine Schrift als unecht abzulehnen.

Schon gar nicht eine Schrift, die so viele Parallelen in der Bibel hat, und die bei einigen Stellen wie Th. 82 sogar die ursprünglichere Fassung sein dürfte, und die sogar einige biblische Aussagen durchsichtiger macht. Jesus ist im Thomasevangelium der im Fleisch offenbarte Christus, der Auferstandene von den Toten - und so musste auch die klassische Forschung zugeben, dass das Thomasevangelium nirgends klar eingeordnet werden kann, also auch nicht in die "gnostischen" Lehren.
Versuche, etwa "Jesus sagte: wer die Welt erkannt hat, hat einen Leichnam (bzw. Leib; 56, 80) erkannt" als "gnostisch" zu betrachten, führten nicht weiter; denn es gibt genügend verwandte biblische Aussagen, etwa von Paulus über das Verwesliche und das Unverwesliche ***); auch sollte dann über den zweiten Halbsatz nachgedacht werden "aber wer den Leib gefunden hat, dessen ist die Welt nicht würdig" (80). Obendrein wurde nicht bedacht, dass solche zugespitzten Aussagen von Jesus den Menschen zeigen sollten, dass ihre Denkgewohnheiten zum Verstehen nicht ausreichen. Das ist nicht vom Inhalt her, aber von der Methode her eine Parallele zu den "Koans", scheinbar paradoxen Aussagen des Zen-Buddhismus, über die so lange nachsinniert und meditiert wird, bis der Mensch plötzlich eine tiefere Ebene des Verstehens jenseits des Intellekts erreicht.
Das Netzwerk, das diese Schriften sammelte, war keine zentral organisierte Kirche oder Sekte, und schon das erinnert tatsächlich an viele unabhängige Überlieferungen der Thomastradition ****). Andererseits ist es auch nicht notwendig, jeden Satz als authentisch und verbindlich zu betrachten. Auch wenn die Grundlage von Thomas stammen kann, ist wohl später redaktionell daran gearbeitet worden.

*) Text: z.B. in "Apokryphe Evangelien aus Naq Hammadi", Edition Argo Weisheit im Abendland, Dingfelder Verlag

**) Siehe auch die Ausführungen zum biblischen Jünger Thomas in unserer Seite "Naturwissenschaft und Gottesglaube"

***) Die neutestamentlichen Apokryphen sind im Umkreis des frühen Christentums entstandene Schriften, die um 400 n.Chr. nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurden. Zu Bewertung solcher Apokryphen siehe unsere Anmerkungen zum "Evangelium nach Philippus".

****) Zur "Thomastradition" gehören auch die "Thomasakten" und verschiedene Überlieferungen der "Thomaschristen" in Indien. Betr. die Rolle von Thomas als überliefertem Gründer der ersten christlichen Gemeinden in Indien siehe z.B. http://www.indianchristianity.org/thomas.html (englisch). Das in den indischen Malankara - Kirchen überlieferte "Thomas-Statut" sah vor, daß die Ältesten der örtlichen Familien und die lokalen Priester eine Gemeinde unabhängig leiten, also ohne zentrale Kirchenleitung.

 

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