Christuswege

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Zum "Evangelium nach Philippus".

Das Philippusevangelium gehört zu den apokryphen (= um 400 aus unterschiedlichen Gründen nicht in den biblischen Kanon aufgenommenen) Schriften, die im frühen Christentum eine Rolle spielten. Es ist nach unseren Untersuchungen nicht korrekt, dieses Buch, wie es geschah, insgesamt als "gnostisch" abzuhaken, nur weil darin unter Anderem auch gnostische Vorstellungen besprochen werden. Dies ergibt sich auch daraus, dass es sich nicht um irgendeine Zusammenstellung von Textauszügen (Anthologie) handelt, wie es in der Literatur oft heißt (Schneemelcher****), sondern offenbar um eine Diskussionsschrift - also eine Kategorie, die so nicht bekannt war, weswegen sie falsch eingestuft wurde. Als solche musste sie mehrere, vom Standpunkt ihres Verfassers aus einseitige Richtungen erwähnen, um so in der Auseinandersetzung mit diesen das in seiner Sicht spezifisch Christliche herauszustellen (wie dies auch die Texte con Christuswege vielfach tun). Entsprechend der Interessen der damit angesprochenen Kreise konnte allerdings auch eine solche frühchristliche Schrift sehr spezielle Themen und Schwerpunkte enthalten, die nicht zum Kernbestand des Christentums gehörten. Das ändert nichts daran, dass sie auch wichtige frühchristliche Überlieferungen enthält, die in den anderen christlichen Schriften nicht in dieser Deutlichkeit vorliegen.

Auszug einer wesentlichen Stelle:
- Z.B. einerseits 23a ff
: "Einige ... legen Wert auf die Lehre, dass sie im Fleisch auferstehen würden. Sie wissen nicht, dass eben diejenigen, die im (vergänglichen) Fleisch leben, die Nackten sind, während diejenigen, die sich vom Fleisch lösen und 'entkleiden', die Nicht-Nackten sind. (Zum Begriff "Nackt" vgl. die Paradiesgeschichte im 1. Mose.)
Denn Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben. Um welches Fleisch und Blut handelt es sich denn hier, welches nicht ererben kann? Um das Fleisch, wie es uns jetzt umhüllt. Welches Fleisch aber wird erben? Das Fleisch Jesu und sein Blut. Deshalb sagte er: 'Wer nicht mein Fleisch isst und nicht mein Blut trinkt, hat kein Leben in sich'. ... Was ist unter diesem Fleisch und Blut zu verstehen? Sein Fleisch ist (oder symbolisiert) das Wort und sein Blut der Heilige Geist. Wer diese empfängt, der hat Nahrung und Trank und der ist bekleidet."
- und Andererseits 23c - 24: "Ich tadle aber auch die Anderen, die sagen 'das Fleisch wird nicht auferstehen'.*) ... Wenn du sagst: ' Der Geist im Fleisch wird auferstehen' oder 'Dieses Licht im Fleisch wird auferstehen', so handelt es sich beim Geist und beim Licht doch um etwas, was im Fleische ist. Und was immer du anführen wolltest, es gibt nichts, was ohne Fleisch sein könnte. Es ist also gar nicht anders möglich, als im Fleisch aufzuerstehen, da doch alles im Fleische ist.

In dieser Welt sind diejenigen, die Kleider (das vergängliche Fleisch) anziehen, wertvoller als die Kleider. Im Himmelreich jedoch sind die Kleider (der Heilige Geist ...) wertvoller als diejenigen, die sie angezogen haben."

Würde eine differenzierte Lehre dieses Niveaus (ähnlich 1.Kor.15:53 "Das Verwesliche muss anziehen das Unverwesliche...") als gnostisch bezeichnet, dann würde der Begriff "gnostisch" derart verwässert, dass alles oder nichts darunter fallen könnte. Oder es müsste eben für diese Schriftrolle zumindest teilweise der sogar von Haack für Paulus und Johannes geschaffene Begriff der "apostolischen Gnosis" verwendet werden (von ihm im Unterschied zum "Gnostizismus" gebraucht). Fragen, wie sie vor über 1800 Jahren aufgeworfen wurden, bewegen auch heute berechtigtermaßen viele suchende Christen. 

- 26a: "...Er (Jesus) zeigte sich den Großen als Großer und den Kleinen als Kleiner; er zeigte sich Engeln als Engel und Menschen als Mensch... . Als er seinen Jüngern in seiner Herrlichkeit erschien auf dem Berge, ... wurde er groß, aber erst nachdem er die Jünger groß gemacht hatte, damit sie ihn sehen könnten in seiner Größe".
Hier wird die Vielgestaltigkeit des Wesens Jesu gezeigt, und nicht etwa das Menschliche an Jesus geleugnet. Das zeigt sich auch daran, dass den Jüngern unterstellt wird, dass auch sie als Menschen zu dieser "Größe" emporgehoben werden konnten.

Es ist durchaus möglich, dass die sog. "Philippustradition", zu der noch weitere Schriften gehören, auf Lehren von Philippus, des Jüngers Jesu, aufbaute. Dieser bekam nach orientalischen Überlieferungen Afrika bzw. Äthiopien als Missionsgebiet zugewiesen. Die Jünger hatten auch unterschiedliche Blickwinkel, die sich ergänzen. Es gab jedoch auch einen Diakon Philippus. Der heute bekannte Text **) gehört zu den erst im 20. Jahrhundert in Naq Hammadi aufgefundenen Schriftrollen. Sie erscheint dort unmittelbar hinter dem bedeutsamen "Thomasevangelium" (einer Sammlung von Aussprüchen Jesu, die im frühen Christentum recht verbreitet war).
Die Gemeinschaft, die die Schriften von Naq Hammadi gesammelt und evtl. weiter ausgearbeitet hatte, muss in ihrem Charakter einige Gemeinsamkeiten mit der Gemeinschaft von Qumran gehabt haben, nur dass Qumran stark mit jüdischen Traditionen verbunden war, während Naq Hammadi im Umfeld der Entstehung des koptischen (ägyptischen) Christentums angesiedelt ist, und eine große Offenheit für Themen hatte, die heute meist als "gnostisch" ***) bezeichnet werden.

Es ist verständlich, dass die Urheber des heutigen Kanons der Bibel (Hieronymus) Schwierigkeiten mit derartigen antiken Schriften hatten, da sie darin Inhalte gemischter Herkunft sahen, deren Authentizität fragwürdig war. Das war meist gut gemeint. Dennoch ist es wenig hilfreich gewesen, das Kind mit dem Bade auszuschütten, und diese Schriften, und damit auch die wertvolleren Stellen derselben pauschal Jahrhunderte lang zu ignorieren. Sie können auch zur Kenntnis genommen werden, ohne sie in Gänze als "verbindliches Glaubensgut" zu behandeln; (in diesem Sinne meinte z.B. auch Luther, soweit einige Apokryphen damals schon bekannt waren, sie seien "gut zu lesen...") Es gibt Stellen in solchen Apokryphen, deren Zusammenschau mit der Bibel vertiefte Einsichten bringen kann. Gerade dies kann eines der Kriterien für ihre Echtheit sein, auch wenn dies Kriterium von der traditionellen Forschung nicht anerkannt würde. Eine Schrift, die nicht echt ist, oder die gar absichtlich zu betrügerischen Zwecken geschrieben wurde, kann dagegen unter Umständen Verwirrung oder Depression zurücklassen. Für Jesus ist auch das Herz maßgeblich, nicht nur der Verstand mit seinen äußerlich angelernten Kenntnissen.

*) Hier wurden Menschen mit gnostischen, damals oft recht leibfeindlichen Vorstellungen kritisch angesprochen.

**) Wahrscheinlich nicht identisch mit dem (verfälschten?) Text gleichen oder ähnlichen Namens, den Kirchenlehrer der frühen Kirche bekämpften, und von dem nur ein kurzer Absatz überliefert ist - der in dem hier besprochenen Philippusevangelium gar nicht vorkommt.

***) In gnostischen Lehren, von griechisch Gnosis=Erkenntnis, geht es um die Befreiung der Lichtseele aus der Materie, und aus der Unterdrückung durch niedere bzw. negative Mächte ("Archonten") des Jenseits. Christus wurde als reines Lichtwesen gesehen, das demnach nicht sterben könne, also auch nicht gekreuzigt wurde. Demgegenüber bestreitet das Philippus-Evangelium, wie auch z.B. das sog. "Evangelium der Wahrheit" das Menschsein Jesu (20) und die Kreuzigung bzw. den Tod nicht. Es enthält allerdings - verwandt mit Jesu Aussage in Joh. 4 - die rhetorisch zugespitzte Perspektive, dass sich die Auferstehung vor dem Tod ergibt (oder anbahnt; 21; aber: 72c). 


****) Literatur mit dem Text des Philippus-Evangeliums und anderer neutestamentlicher Apokryphen:
a.) klassisch wissenschaftlich: Wilhelm Schneemelcher, "Neutestamentliche Apokryphen, Band I Evangelien";
b.) allgemeinverständlicher für moderne Sucher: "Apokryphe Evangelien aus Naq Hammadi", Edition Argo -Weisheit im Abendland, Dingfelder Verlag.

 

Die kurzen Zitate aus der Bibel oder Apokryphen - auf der Basis verschiedener Übersetzungen - sind Ergänzungen zu Kapiteln des

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