Christuswege

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Haupttext Teil 1, Die Schritte in den Evangelien;
Kapitel :

Die Versuchungen und die Berufung der Jünger.

Auch Jesus musste in seinen menschlichen Eigenschaften lernen und sie immer stärker Gott zuwenden. Nach 40 Tagen Fasten in der Wüste erschien der „Versucher"* - z.B. Matth. 4, 1-11.

Auch im kleineren Maßstab treten negative Kräfte, die – wie alle Kräfte – auch als etwas Gestalthaftes empfunden werden können, auf inneren Wegen und im Leben zutage. Zunächst sind hier zurückgebliebene, verselbständigte Tendenzen im Menschen selbst zu nennen, ohne das integrierende Herz und damit ohne Gott. Auf diese Verselbständigung zuerst des Denkens und daraufhin dann auch des Willens bezieht sich das „Essen der Frucht vom Baum der Erkenntnis".

Einerseits sind es verhärtende, an materielle Sachzwänge bindende Eigenschaften. Tiefer im Unbewussten verankert, kann ihnen zwar etwas entgegengesetzt werden, sie können auch in ihrem Wesen erkannt werden, aber in der Tiefe überwunden werden sie eher zuletzt. Bewusstes Verzichten-Können, und Haben-Können statt Haben-Müssen, und kreativer, ethischer Umgang damit ist ein Training zur Überwindung dieser Kräfte.

Die umgekehrten Wünsche führen dagegen zur Flucht und zum gleichgültigen höhnischen Abheben von materiellen Problemen, u.U. in spirituelle Bereiche hinein. Manchmal wird übersehen, dass dies nur die andere Seite derselben „negativen" Medaille darstellt, nach dem „Pendelschlagprinzip" an die andere Seite gebunden. Dieser zweite Bereich liegt heute bereits offener da, ist also leichter zu bereinigen. Ein Mittel zu dieser Umkehr ist Mitgefühl, freilassendes Geben von Liebe. 

Eine im Zusammenhang mit beidem zu findende weitere Eigenschaft wäre mit Machtgier verbunden. Diese Illusion zu verwandeln, erfordert Mut zu bedingungsloser Wahrhaftigkeit und darauf gegründete Toleranz und freie Solidarität im Umgang mit Anderen.

Allgemein fehlt es in allen derartigen Bereichen an einer starken und trotzdem zugleich altruistischen Individualität der Betroffenen, die diese Bereiche an Stelle der ins Negative abgleitenden Tendenzen auffüllen könnte.

In Matthäus 4 wird Jesus diesen drei ablenkenden Impulsen ausgesetzt, hier „Satan" bzw. „Teufel" genannt. Er verweist nicht einfach auf das jeweilige Gegenteil, sondern er greift nach etwas Höherem, was jenseits des Hin-und-Her der negativen Kräfte steht - auf „Gottes Wort", auf „Gott, den Herrn", und auf „Gott, den Herrn, der allein anzubeten und dem allein zu dienen" ist. Christus steht außerhalb der Dualität von Finsternis und (Schein-)Licht, und überwindet diese durch seinen dritten, übergeordneten Weg, wie auch an vielen weiteren Geschehnissen zu sehen ist.

Kurze Anmerkung: Oft ist fälschlich zu lesen, der Zarathustrismus und das Christentum bzw. „die vorderasiatischen Religionen" seien dualistisch. Dies stimmt in Bezug auf ihre Ursprünge nicht (s. z.B. Extraseite "Zarathustra").

R. Steiner beschrieb die beiden hauptsächlichen negativen Kräfte als getrennte Wesenheiten, wie sie in der Welt geistiger Schau erlebt werden können. Wie erwähnt, ist es zwar zweckmäßig, beide Wirkensweisen zu beachten, aber außerhalb der Welt geistiger Schau ist es nicht ganz gerechtfertigt, wenn Anthroposophen jenen christlichen Vorstellungen von einem einzigen negativen Wesen absprechen, dass sie beide Seiten mit enthalten. Die Tendenzen treten auch oft derart vermischt auf, dass letztendlich „widergöttliche" Tendenzen als Ganzes behandelt werden können, dem wiederum nicht mehrere Götter, sondern der Gott Christi gegenübersteht, mit Allem, was in seinem Sinne wirkt.

Es gibt aber andere spirituelle Richtungen, die diesbezüglich tatsächlich eines ihrer Augen zudrücken, und alles in spirituelle Höhen Strebende als göttlich ansehen.

Moderne evangelische Theologen schließlich drücken, fast wie manche weitere spirituelle Bestrebungen, gleich beide Augen zu und erklären Vorstellungen von negativen Wesen weg, etwa mit der Begründung, sie würden ja nur an wenigen Stellen in der Bibel auftauchen. Sie übersehen dabei, dass es sich eben nicht um Vorstellungen handelt, sondern um handfeste Erfahrungen, die nicht nur im Altertum vorkamen.
Einige kleinere christliche Gruppen nahmen wegen dem Begriff "Fürst der Welt - z.B. Joh. 14:30 - an, diesem "gehöre" diese Welt bis auf weiteres, und die Menschen könnten sich ihm lediglich entziehen; obwohl in Wirklichkeit das NT nur seine verführende und besitzergreifende Rolle benennt. Johannes 12:31: " Jetzt geht das Gericht über die Welt; nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden."

Ohne Ängste und andere negative Gefühle haben negative Kräfte keine direkte Macht; es kann in diesem Sinn auch ein Schutzmechanismus sein, nicht den Teufel an die Wand zu malen – auch gegenüber kirchlicher Angstmache. Heute könnte geistige Wahrnehmung ergeben, dass vermeintliche „Zunahmen" negativer Kreisläufe letztlich aufgewühlte, längst vorhandene, vorher verborgen gebliebene Potentiale darstellen. Wirklich positive Fähigkeiten hingegen können tatsächlich noch zunehmen, wenngleich sie einem Urbild entgegenwachsen, das auch bereits da ist.

Nun stellen jedoch solche persönliche „wunde Punkte" zugleich unter Umständen eine Resonanzfläche für verwandte äußere Kräfte dar. Spuren davon können z.B. gefunden werden – etwas vereinfachend - in einer vereinseitigten westlichen Praxis - besonders der alten Form ohne soziale Absicherung, wenn Geld und Egoismus die höchsten praktizierten Werte sind; weiter in Einseitigkeiten des Nationalismus und Nationalsozialismus - speziell im Fall von Hochmut und Gleichgültigkeit gegenüber dem Rest der Welt -, und in zerstörerischen "religiösen" Aktivitäten; sowie in den Extremen des Stalinismus, - etwa seiner brutalen Gleichmacherei.Dies bedeutet aber keine pauschale Verdammung von Allem und Jedem in solchen Gesellschaften.

Jesus lehrt nicht so sehr das direkte „Widerstreben gegen das Böse"; er behauptet aber auch keine Notwendigkeit des Bösen um eines „Gleichgewichts willen" (wie einige östliche Lehren meinen), und auch keine Notwendigkeit desselben, um im Gegensatz dazu das göttliche Gute zu erkennen. Nicht einmal mehr ein – oft nötiges – direktes Bearbeiten des „Negativen" ist für alle nötig. Zumindest für Einige kann ein Weg, wie ihn die „Christliche Wissenschaft" von Mary Baker-Eddy allgemein empfiehlt, funktionieren. Das beweist aber nicht etwa, dass es die widerstrebenden Kräfte nicht gäbe, sondern sie können dadurch indirekt gewandelt werden. Bei Christus gibt es auch keine ewige Verdammnis, alle destruktiven Kräfte sind letztendlich wandelbar, bis zu jener Zeit des letzten Kapitels der Johannesoffenbarung, wo verheißen wird, dass eine Finsternis nicht mehr existieren wird (s. das entsprechende Kapitel).

Auf diese Zeit in der Wüste folgte die Berufung der Jünger - Joh. 1, Matth. 4, 18 - 22, Matth. 10.

* In der Theologie wird traditionell auch bei der Versuchungsgeschichte der symbolträchtige Zusammenhang mit der Menschheitsgeschichte berücksichtigt: die Wüste mit den gefährlichen wilden Tieren als Gegenbild der überlieferten Welt des Paradieses Adams; und damit als Zustand, der durch Jesus als "neuen Adam" überwunden werden soll. Bei der 1. Versuchung, Steine zu Brot zu machen, geht es darum, ob das Materielle oder Gott führend sein soll. (Als es später um die Speisung und Erweckung vieler Menschen ging, sehen wir darin keine Versuchung mehr.) Bei der 2. Versuchung, vom Tempeldach zu springen, geht es um die Überwindung der Überheblichkeit gegenüber den Lasten des menschlichen Lebens. Jesus ging durch alles durch, was ihm auferlegt war (, bis es in der Auferstehung gelöst war.) In der 3. Versuchung geht es um die Macht der existierenden irdischen Königreiche, oder das von Gott gegebene "Himmelreich". (Im weiteren Verlauf könnte jedoch das auch irdisch relevante, prophezeite "Friedensreich" die Verwandlung des irdischen Machtstrebens durch Gott bringen.)

 

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